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Geschichte Bültum


Geschichtliches

Das im Westen des Ambergau gelegene Bültum findet erstmals 1154 gesicherte Erwähnung. Zu dieser Zeit wird dem Kloster Riechenberg bei Goslar Besitz in Bultheim zwischen Bukeneim (Bockenem) und Maleden (Mahlum) bestätigt. Mit Bult wurde ein Wohnsitz auf einem Hügel bezeichnet, die Endung eines Namens auf ...heim war typisch für Siedlungen, die um das 5. Jahrhundert gegründet wurden. Demnach wird Bültum vermutlich schon weit vor der ersten urkundlichen Erwähnung entstanden sein. Als bischöfliche Lehnsträger mit Gütern in Bültum werden die Edlen von Hagen auf Söder und die von Bortfeld sowie die Freiherren von Brabeck und die Grafen von Stolberg urkundlich erwähnt.

Der deutliche und natürliche Höhenunterschied im Ortsbild von 145 Metern teilte die Siedlung in ein Ober- und ein Unterdorf und erklärt damit auch die erste Silbe des Ortsnamens.

Die ersten altsächsischen Ansiedlungen Bültums lagen unterhalb der Kirche im Quellgebiet des Rottebaches entlang der heutigen Wehrstedter Straße. Hier stieß man schon auf einem halben bis zwei Metern Tiefe auf Trinkwasser.

Die Kirche im oberen Dorf entstand in fränkisch-karolingischer Zeit, wofür auch das damals häufiger vorkommende Martinspatrozinium spricht. Auf den fünf größeren um die Kirche liegenden Grundstücken siedelten sich vermutlich die Überlebenden des zuvor wüst gefallenen und südlich von Bültum gelegenen Dorfes Copstedt an. Dafür spricht auch deren Besitz von Holzanteilen im Bönnier Forst, der in südwestlicher Verlängerung des Dorfes lag. Copstedt wurde erstmals 1225 urkundlich erwähnt, seit dem 14. Jh. ist es jedoch in keiner Urkunde mehr zu finden. An das nicht mehr existierende Nachbardorf Bültums erinnert heute noch die Kopstedter Straße im Oberdorf Bültums.

1154 nimmt der Hildesheimer Bischof Bruno das Kloster Riechenberg in seinen Besitz und bestätigt in diesem Zusammenhang auch die Besitzungen des Klosters in Bultheim. Im Laufe der Jahrhunderte ändert sich der Name mehrfach, bis sich schließlich zum Ende des 18. Jahrhunderts die heutige Bezeichnung Bültum herausgebildet hat.

Die Grenzlage Bültums zwischen den ehemaligen Ämtern Wohldenberg im Westen und Winzenburg im Osten spiegelt sich im Wappen des Dorfes wieder, das 1954 eingeführt wurde: im oberen Teil ist der Wohldenbergsche Turnierkragen auf goldenem Grund zu erkennen, darunter in Anlehnung an das Winzenburger Wappen ein goldener Sparren inmitten von zwei silbernen sechszackigen Sternen und einem silbernen, abwärts gekehrten Halbmond auf rotem Grund.

Bis 1965 waren noch fast alle Handwerke in Bültum vertreten, der Ort verfügte auch über eine Polizeidienststelle, doch im Jahr des 850. Dorfjubiläums hatten alle Handwerksbetriebe und Ladengeschäfte aufgegeben und gab es keine Poststelle und keine Gaststätte mehr.

Seit 1974 gehört Bültum mit 17 weiteren Orten zur Stadt Bockenem und hat sich bis heute zu einem gepflegten und idyllischen „Schlaf”- Dorf entwickelt, dessen gut 150 Bewohner ihren Ort tagsüber zum Broterwerb und für die Erledigung von Einkäufen verlassen. In Bültum ist man daher auf einen PKW angewiesen und erreicht den 4,5 km entfernt liegenden Gemeindemittelpunkt Bockenem und die 7 km entfernt liegende Autobahn A7 innerhalb kurzer Zeit. Darüber hinaus ist der Ort an das Linienbus-Verkehrsnetz des RVHI angeschlossen.


Historische Baulichkeiten

St.-Martins-Kirche

zu finden: Am Thieberg

Das genaue Alter der Bültumer Kirche konnte bis heute nicht eindeutig geklärt werden, sie gehört aber vermutlich zu den ältesten Gotteshäusern des Ambergau. Schon der Names des Kirchenpatrons St. Martin weist auf eine frühe Gründung hin. Auch einige architektonische Merkmale wie die romanischen Fensteröffnungen im Turm, das Relief in der Wand zwischen Turm und Kirchenschiff, die bogenförmigen Durchbrüche vom Turm zum Kirchenschiff und die in der Südseite noch zu erkennenden Überreste der kleinen romanischen Fenster deuten auf eine Entstehungszeit in der Mitte des 12. Jahrhunderts hin.

Ob Kirchenschiff und Turm zur gleichen Zeit entstanden sind, ist nicht sicher zu belegen. Das verwendete Steinmaterial und die Art des Mauerwerks könnten darauf hindeuten. Es wird aber auch vermutet, dass der Turm der Bevölkerung zunächst als Wehrturm diente und das Kirchenschiff etwas später angeschlossen wurde.  

Wer gute Augen hat, entdeckt unmittelbar unter dem achteckigen und mit Schieferplatten bedeckten Helm in den nach Norden, Süden und Osten zeigenden Schallöffnungen die schönen mit Ornamenten und sogar maskenhaften Gesichtern verzierten Kapitelle der Teilungsöffnungen. Bei diesen handelt es sich um Nachbildungen der ursprünglichen Kapitelle.

Sicherlich hat an der Stelle der heutigen Martinskirche früher eine kleinere Kapelle gestanden, denn bei Renovierungsarbeiten fand man 1965 an der Südseite zwei unterschiedliche Bauformen der Grundsteine (zu erkennen an der Südseite des Kirchenschiffs) und ein Jahr später stieß man auch an der Ostseite bei Gruftaushebungen auf Steinfundamente. 1502 wurde das Kirchenschiff auf seine heutigen Ausmaße verlängert. Diese Jahreszahl findet man über einer kleinen auch als Sakramentshäuschen bezeichneten Mauernische hinter dem Altar. Weitere Umbaumaßnahmen fanden um 1700 statt, in deren Zusammenhang beispielsweise die Fensteröffnungen vergrößert und der Eingang auf die Turmnordseite verlegt wurden.

In der Südwand der Kirche erkennt man zwischen Turm und linkem Kirchenfenster den ursprünglichen und dann vermauerten Eingang aus mächtigen Sandsteinpfosten und direkt daneben senkrechte Schleifspuren im Mauerwerk, wie sie häufig an romanischen und gotischen Kirchen zu finden sind. Das durch Auskratzen gewonnene Steinpulver diente im Mittelalter als magisches Heilmittel.

In der Südwand befindet sich außerdem eine kleine Sonnenuhr aus dem Jahre 1563, die erstaunlicherweise über Jahrhunderte ihren Platz an der Nordwand hatte und erst in den Achtziger Jahren des 20. Jahrhunderts auf diese Kirchenseite verlegt wurde.  

Der Innenraum der Martinskirche ist als Saalkirche ausgebaut  d.h. er ist nicht durch freistehende Stützen unterteilt. Er hat eine flachbogige Holzdecke. Mit dem Turm ist das Kirchenschiff durch zwei rundbogige Öffnungen verbunden.

Im Rahmen der bislang letzten Renovierungarbeiten von 1988 bis 1990 fand man auf der Empore an der Westseite hinter der denkmalgeschützten Orgel (1792) zwei vermauerte Doppelarkaden und das dazwischenliegende bereits erwähnte romanische Relief. Es war mit mehreren Kalkanstrichen übertüncht worden. Nach seiner Freilegung entschied man sich dafür, das Relief auf Dauer sichtbar zu erhalten und die Orgel nicht wieder aufzubauen. Sie ist seitdem eingelagert und wurde durch ein kleines elektronisches Instrument ersetzt.

Das Relief besteht aus Sandstein. Es steht auf einem Sockel aus Trochitenkalkstein, der aus dem nördlich von Bültum gelegenen Höhenzug stammt. Dieses Material wurde auch zur Errichtung der Kirchenmauern verwendet. Das Relief zeigt die Halbfigur eines Mannes, der die Hände zum Gebet erhoben hat und dessen mit einem langärmeligen Gewand bekleideter Oberkörper bis zur Brust in einem runden Gefäß steckt. Der vordere Teil seines Gesichtes und Halses ist abgesprengt, sodass keine Gesichtszüge zu erkennen sind. Die mit rötlicher Ockerfarbe gemalten vertikalen Flammenbänder auf und neben dem Gefäß vermitteln den Eindruck eines lodernden Feuers. Auch die Zierborten an den Ärmeln und dem Halsausschnitt des Gewandes sind in diesem Farbton gestaltet.

Bis heute wurde diese rätselhafte Figur nicht identifiziert. Für die Vermutung, es könnte sich um den Kirchenpatron St. Martin handeln, gibt es keine ikonographischen Beweise.

Auch die Frage, warum und bei welcher Gelegenheit der Kopf beschädigt wurde, ist bislang nicht geklärt. Möglicherweise nahm er Schaden während einer Brandkatastrophe und wurde anschließend, ebenso wie die schon einmal ersetzte südliche Emporensäule nur eilig ausgebessert.

Nach Ansicht des Kunsthistorikers Kurd Fleige könnte es sich bei der Relieffigur auch um die Darstellung eines heidnischen Gottes handeln, die in einer späteren "aufgeklärten" Zeit als "Götzen"-Bilder empfunden wurden und daher als anstößig erschienen. Durch Abschlagen der Köpfe machte man sie daher unkenntlich. Bei der Bültumer Figur ist noch der Ansatz eines Bartes erkennbar. Diese Feststellung ist wichtig, weil hierdurch der Dargestellte als "alter" Gott gekennzeichnet werden soll gegenüber Christus, dem "in der Fülle der Zeit" menschgewordenen Gottessohn ... Der alte Gott ... hat die Hände zum Gebet erhoben, um Christus, den wahren Gott, anzubeten und dadurch teilzuhaben an dessen Erlösungsopfer. (Zitat aus einem Aufsatz für die Kirchengemeinde Bültum)

Einer dritten Deutung zufolge könnte es sich auch um die Darstellung des Hl. Vitus handeln. Vitus war ein frommer sizilianischer Knabe, der nach einer Legende unter Kaiser Diokletian um 304 den Märtyrertod starb, nachdem er neben vielen verschiedenen Tötungsarten auch das Sieden in einem Kessel mit heißem Öl oder Pech überstanden hatte. Vitus galt als Schutzpatron der sächsischen Könige und wurde insbesondere vom Kloster Corvey aus besonders verehrt. Man findet ihn in vielen künstlerischen Darstellungen des hohen und späten Mittelalters. Werner Ueffing misst dem Bültumer Steinbild daher eine besondere Bedeutung zu. Seiner Ansicht nach macht der bevorzugte Platz des Steinreliefs im Emporenbereich der Bültumer Kirche ... es wahrscheinlich, dass der Turm aus dem 12. Jahrhundert zu einer Vitus-Kirche oder -Kapelle gehörte. Es ist deshalb nicht auszuschließen, daß die im 16. Jahrhundert erweiterte Martins-Kirche ursprünglich aus einer solchen Vitus-Kapelle ... hervorgegangen ist.

(Ueffing, Werner, Zeitschrift für christliche Kunst und Kunstwissenschaft, Heft 4/98, S.338)

Das freigelegte Mauerwerk hinter Maueröffnungen und Relief und die Nähe Bültums zum Königsweg lassen vermuten, dass sich hinter dem Relief ursprünglich ein Raum befunden hat, von dem aus bedeutende Persönlichkeiten den Gottesdienst verfolgen konnten.

Den im Regencestil gefertigten Altar mit einer Kanzel, zwei gewundenen Säulen und zierlichen geschnitzten Seitenteilen erhielt die Kirche im Jahre 1734, wie der Jahreszahl im kleinen Lesepult zu entnehmen ist. Auch das Kruzifix stammt aus diesem Jahr und trägt auf seiner Rückseite den Namen des Künstlers J.H.Fahrenholz Sculpteur Bockenemensis, der vermutlich nicht nur das kleine Kreuz, sondern auch Altar und Lesepult gefertigt hat. Von ihm stammt auch die Sandsteintafel von 1725 mit der Inschrift Verleih uns doch Frieden gnaediglich Herre Gott zu Unseren Zeiten.

Die zwei Bronzeleuchter auf dem Altartisch stammen aus dem Jahre 1663, das Taufbecken wurde der Kirche 1722 gestiftet.

Die Gottesdienstzeiten der Kirchengemeinde können Sie hier erfahren.

Alte Schule

Zu finden: Am Thieberg

Beim Verlassen der Kirche schaut man direkt auf die alte Schule des Dorfes aus dem 19.Jahrhundert, bei dem es sich aber schon um das zweite Schulhaus handelt.

Aus Kirchenrechnungen aus dem Jahr 1685 gehen bereits Reparaturkosten für das Dach eines Schulhauses hervor, sodaß man sicher von einer deutlich älteren  Schulgeschichte in Bültum ausgehen kann. Das erste Schulgebäude musste nach zahlreichen Instandsetzungsarbeiten aber schließlich 1840 abgerissen werden, das neue und bis heute bestehende wurde 1899 nochmals um einen Anbau erweitert. Auch in diesem Gebäude war die Wohnung des Lehrers untergebracht. An die Westseite des Schulhauses grenzt die Schulscheune - ein Zeichen dafür, dass der Dorflehrer, der gleichzeitig, wie damals üblich, auch der Organist des Ortes war, zusätzlich zu seinem Lohn auf die Versorgung mit Nahrungsmitteln aus eigener landwirtschaftlicher Tätigkeit angewiesen war.

Ab 1965 wurde der Schulbetrieb in Bültum nach und nach eingestellt. Die Bültumer Kinder besuchen nun die Grundschule in Bockenem, später dort oder in Seesen oder Hildesheim die weiterführenden Schulen.

Das schmucke alte Schulhaus wird im Untergeschoß heute von der Ortsfeuerwehr und als Dorfgemeinschaftshaus, das Obergeschoss als Wohnung privat genutzt.


Spuren von historischen Produktionsstätten

Wer heute dem beschaulichen Bültum einen Besuch abstattet ahnt nicht, welche interessanten und innovativen Betriebe hier einst ansässig waren

Molkerei

Zu finden: Wehrstedter Str. 1

1898 wurde hier eine Molkereigenossenschaft gegründet, die zwar 1904 wegen wirtschaftlicher Probleme in private Hand überging, fortan aber ihr Einzugsgebiet auf die Nachbardörfer Groß- und Klein Ilde und Wehrstedt ausdehnte. Der neue Eigentümer modernisierte den Betrieb und nutzte die bei der Produktion anfallende Molke als Futter für die Schweine eines von ihm auf der anderen Straßenseite aufgebauten Mastbetriebes. Dazu wurde die Molke durch eine Leitung unterhalb der Straße in den Stall gepumpt.

Die Molkerei erhielt noch zu Beginn des Jahres 1943 eine Auszeichnung für hervorragende Leistungen bei der Herstellung von Lagerbutter, musste aber wenige Monate später ihren Betrieb einstellen.

Schweinemästerei

Zu finden: Wehme 3

Die Schweinemästerei, die aus einem mehrstöckigen Gebäude mit Futterlager, Pferdestall und Wohnung des Schweinemästers und einem eingeschössigen Stallgebäude mit Umfahrt bestand und in der zeitweise bis zu 1000 Tiere gemästet wurden, wurde daraufhin ebenfall geschlossen. Im Giebel der Mästerei ist noch heute ein Schweinskopf zu sehen.

Das ehemalige Molkereigebäude wird seit der Stilllegung und nach Demontierung der Anlage als Wohnhaus genutzt.

Schmiede

Zu finden: Wehme 2

In unmittelbarer Nähe dieser beiden Gebäude steht die letzte und 1887 erbaute Schmiede Bültums. Sie ist nicht mehr in Betrieb, ihre Einrichtung aber bis heute erhalten geblieben.

Landfrost Ambergau

Zu finden: Scheune Nordholz

1960 setzten 16 Landwirte der Ambergaudörfer Bültum, Upstedt, Nette, Bönnien, Störy, Hary und Klein Ilde eine für die damalige Zeit revolutionäre Idee in die Tat um und gründeten einen Landfrostbetrieb, in dem sie ihre selbst produzierten landwirtschaftlichen Produkte verarbeiteten und vertrieben, um sich auf diese Weise Einkommensalternativen zum Getreide- und Rübenanbau zu erschließen. Ihr Ziel war es, Arbeitskräfte vor Ort zu binden und Kunden über Privathaushalte zu erreichen, die zunehmend  über Gefriergeräte verfügten. Die Landfrost GmbH Ambergau nutzte für ihren Betrieb eine Scheune und ein angrenzendes Stallgebäude in Bültum und ein Kaltlagerhaus in Upstedt.

Man erarbeitete genaue Anbau- und Erntepläne, stattete die Betriebsgebäude mit moderner Technik aus, startete im ersten Jahr mit der Verarbeitung von Erbsen und erweiterte die Produktpalette in den Folgejahren stetig. Mit ihrer erfolgreichen Produktion erregten die Landwirte deutschlandweit für Beachtung in Zeitschriften und Tageszeitungen. So auch in der Ausgabe das Spiegel vom 20.11.1963, in der es heißt:  

Aus diesem Grunde zog auch ein kleines Konsortium kluger Feld-, Wald - und Wiesenbesitzer in Bültum (Kreis Hildesheim-Marienburg) eine Tiefkühlfirma, die Landfrost GmbH Ambergau, auf. Die Bauern hatten vorher außer Zuckerrüben schon Gemüse angebaut. Da ihr Hauptabnehmer stets die Preise drückte, legten sich die Bauern für 120 000 Mark eine Gefrieranlage, Erbsendreschmaschinen und eine Packvorrichtung zu. Ihre preisgünstig kalkulierten Produkte werden sie bei Werkküchen reißend los. Großabnehmer ist das Volkswagenwerk.

Über faire Preise und gute Qualität gelang es der Landfrost GmbH Ambergau ihre Kunden über Jahre zu halten, doch 1969 konnte sie dem zunehmenden Konkurenzkampf der Branche nicht mehr standhalten und musste die Produktion von Tiefkühlgemüse einstellen.